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Einheimische, wild wachsende Orchideen:
Information

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Alle Fotos wurden - sofern nicht anders vermerkt - in unserem Einsatzgebiet aufgenommen.

Gemäß Stmk. Naturschutzgesetz sind praktisch alle heimischen, wildwachsenden Orchideen vollkommen bzw. teilweise geschützt!
Vollkommen geschützt: Kein einziges Exemplar darf beschädigt, gepflückt, ausgegraben oder vernichtet werden.
Teilweise geschützt: Die Pflanzen dürfen nicht ausgegraben werden. Es darf allerdings ein Handstrauß gepflückt werden; darunter versteht man jene Menge, die mit Daumen und Zeigefinger umschlossen werden kann.

Vollkommen geschützte Pflanzen
Teilweise geschützte Pflanzen
Es handelt sich hier um die vollständigen Listen der geschützten und teilgeschützten Pflanzen in der Steiermark.
Um Ihnen die Suche zu erleichtern, sind die Orchideen farblich hervorgehoben.

Alle Fotos, wenn nicht anders erwähnt: © Kurt Hartmann, Berg- und Naturwacht Leutschach.
Die Fotos dürfen mit Anführung des Copyrights bzw. Verlinkung frei verwendet werden.

Warum die Orchideen "Orchideen" heißen
Merkmale der Blüten
Evolution
Vermehrung
Gefährdung
Orchideen in der Steiermark
Persönliches
Fotos


Orchis = Hoden

In den tropischen Urwäldern, wo es die weitaus meisten Orchideen gibt, sind diese meist Epiphyten, das heißt, sie wachsen auf Bäumen, da sie am Boden der dichten Urwälder viel zu wenig Licht hätten, um gedeihen zu können.

Von diesen "Exoten" stammen meist auch die in unseren Blumengeschäften erhältlichen gezüchteten Orchideen ab, die durch jahrzehntelange gärtnerische Kunstgriffe (teilweise) "europäisiert" wurden: Die "Luftwurzeln", die für viele der im Blumengeschäft gekauften Orchidee so typisch sind, sind ein deutliches Relikt der im Urwald epiphytisch lebenden Orchideen.

Epiphyten hätten in Gebieten mit tiefen Wintertemperaturen allerdings keine Überlebenschancen.
Die wildwachsenden europäischen Orchideen sind daher Geophyten, d. h., sie leben ausschließlich terrestrisch, sind also Erdpflanzen mit begrenzter Vegetationsperiode, und sie überdauern die kalten, frostigen Wintermonate in ihren geschützt in der Erde geborgenen Knollen oder Wurzelstöcken, in denen sie während der Blütezeit die notwendigen Reservestoffe (insbesondere Stärke) angereichert haben.
Die jährliche Neubildung der Blätter erfolgt meist im frühen Frühjahr, bei vielen mediterranen Arten sogar schon im Herbst; nach der Blütezeit, wenn die Samenkapseln aufgeplatzt sind, sterben die oberirdischen Teile der Pflanze in der Regel ab.
Die Ruheperiode dauert bei den meisten mitteleuropäischen Orchideen vom Hochsommer bis zum Ende der Schneeschmelze. Während dieser langen Periode müssen die Pflanzen von ihren unterirdischen Nährstoff-Depots zehren.

Die paarigen, eiförmigen Wurzelknollen vieler (aber längst nicht aller!) Orchideenarten sind bereits vor 3000 Jahren den Griechen aufgefallen und haben der gesamten Familie ihren wissenschaftlichen Namen gegeben - Orchidaceae (griechisch όρχις orchis = Hoden).
Und analog dazu im Deutschen: Knabenkräuter.

Helm-Knabenkraut (Orchis militaris)
Zeichnung von Carl Lindman

Die paarigen, eiförmigen Wurzelknollen, in denen Nährstoffe für die lange Winterruhe gespeichert werden, waren namensgebend für die gesamte, weltweit verbreitete Pflanzenfamilie der Orchideengewächse (Orchidaceae), obwohl sie in dieser ausgeprägten Form nur in den etwa 20 Arten der Gattung Knabenkräuter (Orchis) vorzufinden sind.

Außer bei den Knabenkräutern finden sich auch bei den Gattungen Ragwurz (Ophrys), Riemenzunge (Himantoglossum), Zwergstendel (Chamorchis), Hundswurz (Anacamptis) und Einknolle (Herminium) ähnliche kugelige bis eiförmige Wurzelknollen, oft nur eine, bisweilen aber auch bis zu fünf oder sechs.



This image is in the public domain because the copyrights of the original work of art have expired. It is a reproduction of a painting by the Swedish botanist C. A. M. Lindman (1856–1928), taken from his book(s) Bilder ur Nordens Flora (first edition published 1901–1905, supplemented edition 1917–1926?).

Leider war diese Form der Wurzelknollen schon seit dem Altertum ein Grund, die Pflanzen auszugraben und diese "Hoden" zu verwerten: Einerseits wurde schwangeren Frauen ein Absud aus den Knollen verabreicht, wenn männlicher Nachwuchs erwünscht war; andererseits galten die Wurzelknollen auch als Aphrodisiakum für müde Männer und sollten deren schwindende Manneskräfte stärken; - Viagra wurde erst viel später erfunden...
Aber auch die Heilung zahlreicher Krankheiten erhoffte man bei Einnahme der zerstampften und gekochten Knollen, wie dieser Eintrag in einem Kräuterbuch aus dem Jahr 1543 zeigt:

Die wurtzel von gedachten Ragwurtzen zerknütscht oder zerstossen unnd übergelegt / verzeret und zerteylt allerley geschwulst / reyniget die geschwär und schäden. Uber die fistel gelegt / heylet sie dieselbigen. Gedörrt und jngestrewet / heylet sie die umb sich fressenden schäden / als den wolff / unnd dergleichen. Sie heylet auch allerley böß und faul schäden. In wein gesotten unn getruncken / stelt sie den bauchfluß. Dise wurtzel heylet auch die mundfeule / in wasser gesotten / und den mund darmit gewäschen.
(Leonhart Fuchs, New Kreüterbuch, Basel 1543)

Dennoch war diese Art der Verfolgung relativ harmlos im Vergleich zu jenen "perfekten" Ausrottungsmechanismen, denen neben nahezu allen Blumen auch und besonders die Orchideen in unserer Zeit ausgesetzt sind!

Eine ganze Reihe von "Knabenkräutern" haben zwar ähnliche Blüten wie die der Gattung Orchis, weisen jedoch keine eiförmigen, sondern handähnliche Wurzelknollen auf. Diese bilden die Gattung Fingerwurz (Dactylorhiza, griechisch δάκτυλος, dáktylos = Finger).
Die deutsche Bezeichnung "Knabenkraut" wird aber weiterhin auch für diese Fingerwurz-Arten verwendet; deshalb sind hier beide Arten zusammengefasst.

Orchis und Dactylhoriza

Quelle: Sundermann

A - Orchis
B - Dactylorhiza

Deutscher Name in beiden Fällen:
Knabenkraut

 

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Merkmale der Blüten

Quellen:
Hans Sundermann, Europäische und mediterrane Orchideen, Brücke-Verlag Hildesheim 1980;
Detlef Ernet, Heimische Orchideen - Verbreitung und Gefährdung in der Steiermark, Abteilung für Botanik Stmk. Landesmuseum Joanneum, Graz 1983;
Edeltraud und Othmar Danesch, Orchideen Kompass, Gräfe und Unzer, München o. Jg.;
Adolf Winkler, Geschützte Pflanzen, Landesgruppe Steiermark des Österr. Naturschutzbundes, Graz 1967;
Schützen und blühen lassen, Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, München;
Erich Klein & Herbert Kerschbaumsteiner, Die Orchideen der Steiermark - Eine Ikonographie und Verbreitungsübersicht, Mitteilungen der Abteilung für Botanik am Landesmuseum Joanneum in Graz, Graz 1996.


Die Familie der Orchideen erreicht eine derart mannigfache Vielfalt an Formen und Farben der Blüten, wie sie bei keiner anderen Pflanzenfamilie vorzufinden ist. Die Blüten können nur wenige Millimeter, aber auch mehr als 20 Zentimeter (tropische Arten) groß sein. Nahezu das gesamte Farbspektrum ist anzutreffen, viele Blüten sind mehrfarbig, andere dagegen unauffällig grün oder bräunlich.

Die Blüten der Orchidee sind in der Regel zweiseitig symmetrisch (zygomorph) und im Laufe ihrer Entwicklung meist um 180° gedreht (Verdrehung des Fruchtknotens oder des Blütenstieles, Resupination).
Die Blüte wird von drei äußeren (Kelchblätter, Sepalen) und drei inneren (Kronblätter, Petalen) Blütenblättern gebildet.
Das mittlere der drei Kronblätter, welches nach der Blütendrehung in der Regel nach vorne bzw. unten gerichtet ist, unterscheidet sich von den beiden anderen gewöhnlich deutlich durch seine Größe, Form und Farbe; es wird als Lippe (Labellum) bezeichnet und dient als Landeplatz für die anfliegenden Blütenbesucher. Die Lippe ist meist der leuchtend-bunteste Teil der Blüte, soll sie doch die Bestäuber zum Besuch einladen, und sie erzeugt meist auch den Nektar, den sie den Insekten entweder direkt an ihrer Oberfläche, in Mulden und Vertiefungen oder in einem mehr oder weniger langen, nach hinten gerichteten Sporn anbietet.

Die Orchideen locken ihre Besucher sowohl optisch - durch die oft prächtigen Farben der Blüte, vor allem aber der Lippe - als auch durch verschiedenste Duftstoffe an. Der Duft vieler Orchideen ist auch für den Menschen wahrnehmbar und wird meist als sehr angenehm empfunden.

Blüte der [Grünen Waldhyazinthe]
Quelle: Sundermann (siehe oben)

1 - Mittleres Kelchblatt
2 - Seitliche Kelchblätter
3 - Kronblätter
4 - mittleres Kronblatt: Lippe
5 - Sporn


Im Zentrum der inneren Hüllblätter befindet sich die Griffelsäule (Gynostemium), ein für die Orchideen charakteristisches Verwachsungsprodukt der Staubblätter mit dem Griffel.
Der stielartige Fruchtknoten ist zur Gänze in den Blütenboden eingesenkt und mit ihm verwachsen. Er enthält einige tausend winzige, wandständige Samenanlagen (siehe auch Vermehrung).
Als Pollenübertrager dienen meist Insekten. Der Blütenbau ist meist in so perfekter Weise auf die Bestäubung durch bestimmte Insekten spezialisiert, dass auf Grund eines einzigen Bestäubungsaktes die Befruchtung der Eizellen tausender Samenanlagen gesichert ist.

Blütenbau der Orchidee

Blüte des [Helmknabenkrautes]
Quelle: Sundermann (siehe oben)

1 - Mittleres Kelchblatt
2 - Seitliche Kelchblätter
3 - Seitenlappen der Lippe
4 - Mittellappen der Lippe
6 - Sporn
8 - Fruchtknoten
9 - Deckblatt

Die fehlenden beiden anderen Kronblätter sind im Helm verborgen.

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Anmerkungen zur Evolution

Mit dem Namen ORCHIDEE verbinden die meisten Menschen eine "exklusive" Pflanzenfamilie, die es nur im Blumenladen, im Botanischen Garten oder in exotischen Urwäldern zu bewundern gäbe.
Doch dem ist nicht so!
Die Orchideen entwickelten sich erst vor ca. 2 Millionen Jahren und sie sind damit stammesgeschichtlich die jüngste Familie der bedecktsamigen Blütenpflanzen. (Zum Vergleich: Die ältesten Vertreter dieser Art entstanden vor 120 bis 140 Millionen Jahren!)
Dennoch haben sie in dieser kurzen Zeit eine höchst erstaunliche Vielfalt von Gattungen und Arten entwickelt, sich den verschiedensten klimatischen Bedingungen angepasst, die unterschiedlichsten ökologischen Nischen erobert, eine ganze Reihe höchst "raffinierter" Bestäubungsmechanismen entwickelt (markantes Beispiel: Ophrys!) - und sich daher nahezu über die ganze Erde verbreitet. So zählt man heute etwa 800 Gattungen mit zirka 30.000 Arten, - die Orchideen sind damit zweifellos die vielgestaltigste, formen- und variantenreichste Familie des gesamten Pflanzenreiches.
Der weitaus größte Teil der Orchideen findet sich zwar in den feuchtschwülen Tropen und Subtropen, - aber diese Pflanzenfamilie hat auch die unwirtlichsten Gebiete des hohen Nordens, die warm-feuchten Niederungen, - ja sogar windgepeitschte Berggrate bis 4000 m Höhe, Sümpfe, magere Trockenrasen und bemooste Wände erobert.
Aber sie haben einen übermächtigen Feind: den Menschen.

Der Evolutionsprozess dieser Familie ist naturgemäß noch keineswegs abgeschlossen, - ja, er steht sozusagen eher noch am "Anfang" und befindet sich weiterhin in einer stürmischen Entwicklung, wodurch eine defintive Unterscheidung und endgültige Bestimmung vieler Arten auch für den Botaniker sehr schwierig und in einigen Fällen - beispielsweise bei der Gattung Ophrys - fast unmöglich ist. Durch Kreuzungen entstehen permanent neue Arten (in der Botanik lieblos "Bastarde" genannt), deren "Eltern" selbst von Spezialisten nicht immer zweifelsfrei definiert werden können.
Weltweit werden wohl viele Arten schon wieder ausgestorben sein, noch ehe sie gefunden und als neue Gattung oder Art erkannt wurden.

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Vermehrung

Bei den heimischen Orchideen herrscht Fremdbestäubung (Allogamie, Zoogamie) - meist durch Insekten - vor, es tritt aber auch Selbstbestäubung (Autogamie) auf.
Nach der Befruchtung blüht die Einzelblüte rasch ab, und aus dem Fruchtknoten (der "Stiel", der die Blüte mit dem Stängel der Pflanze verbindet) entwickelt sich die Samenkapsel, in dem die Samenkörner heranwachsen.
In einer einzigen Kapsel befinden sich viele tausend winzigste Samenkörner. Wenn diese herangereift sind, bricht die Kapsel entlang von 6 vorgebildeten Längsspalten auf und übergibt die Samen dem Wind.

Samenkapsel der Orchidee

Quelle: Ernet (siehe oben)

W - Blütenbesuchende Wespe, Befruchtung
FK - Fruchtknoten
F - reife Fruchtkapsel
BR - Reste der Blütenhülle
Ls - Längsspalte (Sollbruchstelle)
D - Deckblatt

Beispiel: [Verblühte Vogelnestwurz]


Häufig trifft man Pflanzen an, deren obere Blüten noch nicht einmal auf-, die unteren dagegen bereits teilweise oder völlig abgeblüht sind.
Die Fotos [Bienenragwurz_04], [Hummelragwurz_07], [Hummelragwurz_10], [Spinnenragwurz_03], und [Herbst-Drehähre_03] zeigen Pflanzen in diesen Stadien.
Völlig abgeblühte Orchideen finden Sie bei den Aufnahmen eines [Weißen Waldvögeleins] und einer [Vogelnestwurz].

Tausende Samenkörner in einer einzigen Samenkapsel, - diese Zahl mag als ungeheuer verschwenderisch erscheinen! Beim [Fuchs' Knabenkraut], der in ganz Österreich häufigsten Orchidee, sind es beispielsweise bis zu 6.200 pro Samenkapsel, - und eine einzige Pflanze dieser Art kann 50 und mehr Blüten ausbilden!
Das bedeutet im Einzelfall mehr als 300.000 Samen pro Pflanze, - man sollte also meinen, die Welt sei längst schon ausschließlich von Orchideen überwuchert! Doch das Gegenteil ist der Fall: Die meisten Orchideen sind äußerst selten!
Diese Samen müssen nämlich mit einem entscheidenden Handicap fertig werden: Sie enthalten zwar den winzigen Embryo mit allen nötigen Erbinformationen - aber sonst nichts! Das heißt, sie haben keinerlei Nährstoffe, die ihnen als Vorrat dienen und mit deren Hilfe sie im Boden keimen könnten.
100.000 solcher Samen wiegen daher auch gerade mal 1 Gramm!

Ob aus solcherart vom Winde verwehten 300.000 Samen auch nur eine einzige neue Orchidee heranwächst, hängt vom Zufall ab, und die Chance ist wohl ähnlich gering wie beim Lotto: Der Samenwinzling muss auf einem Fleckchen Erde landen (und dort vom Regen eingespült werden), welches zahlreiche Bedingungen hinsichtlich Boden (z. B. pH-Wert), Feuchtigkeit, Mikro-Klima, Licht und Luft erfüllen muss, - und in dem sich vor allem ganz bestimmte Pilzarten befinden müssen, mit deren Hilfe sie die organischen Substanzen des Bodens (Humus) für sich erschließen können.
Diese Pilze dienen den keimblattlosen Keimlingen als unerlässlicher Nährstoffversorger, bis die zunächst unterirdischen Pflanzen erstarken, oberirdisch ergrünen und sich vermittels Fotosynthese selbst ernähren können.
Einige Arten sind sogar zeitlebens auf diese Pilzernährung angewiesen, da ihre Blätter mangels Chlorophyll nicht genügend Nährstoffe produzieren können, beispielsweise die bei uns recht häufige [Vogelnestwurz].

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Samenwinzling auf solch einem "paradiesischen" Plätzchen landet, ist also äußerst gering. Uns selbst, wenn er es geschafft haben sollte, dann dauert seine Entwicklung bis zur blühfähigen Pflanze mindestens drei, in manchen Fällen aber auch mehr als zehn Jahre!
Sollte sich während dieser Zeit auch nur eine der zahlreichen notwendigen Voraussetzungen verändern, dann erblickt der Keimling nie das Licht der Sonne.

Sie sehen also: Die Orchideen "wissen" schon, warum sie so viele Samen produzieren!

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Gefährdung

Es betrifft nicht nur die Orchideen, sondern alle Pflanzengruppen, - Blütenpflanzen, Farne, Algen, Pilze, Flechten, Moose: Wo der Mensch die ursprüngliche Naturlandschaft in eine ihm dienliche Kulturlandschaft umwandelt, haben Pflanzen (und Tiere) einen schweren Stand, denn mit dem Tempo, das der Mensch dabei besonders in den letzten fünfzig bis hundert Jahren vorgelegt hat, kommt die Evolution nicht mit.
Der Siedlungs- und Wirtschaftsraum des Menschen breitet sich auf Kosten der Naturlandschaft in ungeheurem Ausmaß aus, das Gesamtgefüge der Ökosysteme wird permanent einmal in dieser, einmal in jener Richtung verändert.
Es blieb dem Menschen vorbehalten, das Leben auf dieser Erde in "gut" und "böse" einzuteilen, - hier "nützlich", da "schädlich" oder sogar "räuberisch"...
Jedem dieser Eingriffe fallen zahlreiche Arten der betroffenen Biotope zum Opfer. Die logische Folge ist eine fortschreitende Artenverarmung und zunehmende Vernichtung zahlreicher ökologischer Systeme.

Die bunten, artenreichen Wiesen, die noch bis in die Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts überall anzutreffen waren, gibt es so gut wie gar nicht mehr. Die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft (Trockenlegung von Feuchtgebieten, intensive Grünlandbewirtschaftung mit hohen Düngergaben, Monokulturen, Spritzmitteleinsatz, Umwandlung in Äcker einerseits, aber auch Nutzungsaufgabe, z. B. Einstellen der Beweidung mit nachfolgender Verkrautung und Verbuschung andererseits, Aufforstung mit vorwiegend Fichtenmonokulturen,...) führten zu einer radikalen Verarmung an Arten, nicht nur der Pflanzen, sondern natürlich auch der Insekten, die für die Bestäubung dieser Pflanzen von existentieller Bedeutung sind.
Letzte Rückzugsgebiete waren schließlich noch Straßenränder und Böschungen [Orchideen am Straßenrand], aber auch diesen rückt man seit Jahren vermehrt mit riesigen Häckslern und Mähern zu Leibe, - und das fast immer viel zu früh, sodass die Pflanzen nicht mehr ausreifen und daher keinen Samen ausbilden können.
Aber dafür sind unsere Böschungen jetzt ["schön ordentlich"]...
Zahlreiche heimische Orchideenarten sind (bzw. waren) jedoch auch in unseren Mischwäldern heimisch, die jedoch während der letzten Jahrzehnte zunehmend in Fichtenfabriken umgewandelt wurden, in deren Böden ein Mangel an jenen Mikropilzen herrscht, die die Samen zum Keimen unabdingbar benötigen.

Die Ergebnisse der in vielen europäischen Ländern durchgeführten Kartierung der Blütenpflanzenflora haben gezeigt, dass die Orchideen zu den besonders gefährdeten Pflanzenfamilien zählen, da ihre Entwicklungs- und Bestäubungsmechanismen hoch spezialisiert und den rasanten Veränderungen der Ökosysteme durch den Menschen nicht gewachsen sind.
Was wir heute noch an Orchideen finden, sind nur mehr Restbestände!
Wer sich darüber - und über die komplizierten Mechanismen ihrer Fortpflanzung! - im Klaren ist, der wird Orchideen weder pflücken, geschweige denn sie ausgraben, um sie in seinem Garten anzusiedeln (wo sie im Übrigen mit Sicherheit absterben werden!).

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Orchideen in der Steiermark

Im Katalog einer Ausstellung der Abteilung Botanik des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum aus dem Jahr 1983 wurden noch 51 Orchideen-Arten angeführt, die in der Steiermark heimisch sind (oder waren).
In einer Verbreitungsübersicht aus dem Jahre 1996 wurden schon 58 Arten angeführt.
(E. Klein & H. Kerschbaumsteiner: "Die Orchideen der Steiermark. Eine Ikonographie und Verbreitungsübersicht"; Abteilung Botanik Landesmuseum Joanneum, Mitteilungen Nr. 23/24, Graz 1996, seit 2008 vergriffen. Das Werk kann hier heruntergeladen werden: Klein-Kerschbaumsteiner-PDF. Achtung: 148 Seiten, 68,4 MB - also etwas Geduld beim Download!)
Nach dem zuvor geschilderten großen Gefährdungspotenzial erscheint dies zunächst widersinnig, ist aber als Ergebnis der umfangreichen botanischen Kartierungsarbeiten des Naturwissenschaftlichen Vereines für Steiermark (Arbeitskreis Heimische Orchideen), die seit 1987 durchgeführt wurden, erklärbar: Einige heimische Arten waren vorher einfach noch nicht entdeckt worden.

Schon damals galten als

verschollen oder ausgestorben (keine Funde nach 1945):

  • Liparis loeselii, Moor-Glanzstendel (Torf-Glanzkraut),
  • Orchis palustris, Sumpf-Knabenkraut,
  • Spiranthes aestivalis, Sommer-Drehähre (Sommer-Wendelähre),
  • [Spiranthes spiralis], Herbst-Drehähre (Herbst-Wendelähre),
  • Himantoglossum hircinum, Bocks-Riemenzunge;

und als

in kritischem Maße gefährdet (1 bis 5 Fundorte nach 1945):

  • Hammarbya paludosa, Sumpf-Weichstendel (Sumpf-Weichwurz),
  • Orchis (Anteriorchis) coriophora, Wanzen-Knabenkraut (Stinkendes Knabenkraut),
  • [Ophrys apifera], Bienen-Ragwurz,
  • [Ophrys holoseric(e)a], Hummel-Ragwurz,
  • [Ophrys sphegodes (sphecodes)], Spinnen-Ragwurz,
  • Limodorum abortivum, Violetter Dingel,
  • Epipactis microphylla, Kleinblättriger Waldstendel.

Also konnte man - zieht man die verschollenen und kritisch gefährdeten Arten ab - 1983 noch vom Vorhandensein von 39 Arten ausgehen.

Von diesen wiederum galten allerdings auch schon damals

als gefährdet bis stark gefährdet.

Nur noch 32 Arten bleiben also übrig, die 1983 relativ häufig anzutreffen waren.

Immerhin 23 Arten (= ~ 72 %!) davon konnten zwischen 1980 und 1995 in unserem Einsatzgebiet nachgewiesen werden.

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Persönliche Anmerkungen

In unserem vergleichsweise winzigen Einsatzgebiet (79 km² der 16.388 km² großen Steiermark = weniger als 0,5 % der Gesamtfläche!) konnte ich zwischen 1975 und 1995 - als absolutes Greenhorn beginnend - immerhin 23 Arten finden, identifizieren und fotografieren (zu Fuß bzw. mit dem Bergwacht-eigenen Moped!); - also ca. 45  % der in der Steiermark heimischen Arten!
Darunter befanden sich auch neun der in der Steiermark seltensten Arten, wie die vorangegangenen Links bereits gezeigt haben.
Besonders die Entdeckung der drei Ragwurz- (Ophrys-) Arten apifera, holoserica und sphegodes erregten in den Kreisen der Orchideen-Liebhaber größtes Aufsehen und führten zu einem wahren Ansturm auf die Fundorte, die ich unvorsichtigerweise der Botanischen Abteilung des Landesmuseums Joanneum bekannt gegeben hatte.
Leider wurden dabei wesentlich mehr Exemplare zertrampelt als fotografiert, und auch die betroffenen Grundeigentümer waren (berechtigterweise!) alles andere als entzückt, denn sie benötigten das ohnehin recht spärliche Gras als Futter für ihre Tiere.
Weitere Fundorte habe ich seither wohlweislich für mich behalten bzw. nur einem ganz kleinen Kreis Gleichgesinnter anvertraut.

Zahlreiche (steirische) Arten sind bei uns so gut wie auszuschließen, da sie nur in höheren Lagen (1.500 - 2.500 m) und oft unter gänzlich anderen Bodenvoraussetzungen (z. B. stark kalkhaltig!) anzutreffen sind, - beispielsweise alle diese wunderschönen Kohlröschen (Nigritella), die ich in den Niederen Tauern und im Hochschwabgebiet (Steiermark), in den Karawanken (Kärnten - Slowenien), und besonders in den Steiner Alpen (Kamniške Alpe) und den Julischen Alpen (Julijske Alpe, Alpi Giulie) (Slowenien, Italien) bewundern durfte.
Dennoch scheint die Südsteiermark ein Schnittpunkt zwischen den eher nur im Norden der Steiermark und/oder in höheren Lagen vorkommenden Arten (z. B. [Orchis pallens]) und den eher mediterranen Arten ( z. B.[Ophrys holoserica]) zu sein.

Ich hatte nie den Ehrgeiz, alle steirischen (oder österreichischen, mediterranen, europäischen ...) Orchideen zu sehen, - ich wollte "nur" versuchen, alle Orchideen des Einsatzgebietes unserer Ortseinsatzstelle (sind "eh nur" 79 km²...) zu finden und zu dokumentieren. Und ich würde mich außerordentlich freuen, wenn andere Orchideenfreunde nach mir noch weitere Arten entdecken würden, denn dadurch würde bewiesen werden, dass es bei uns trotz intensiver Bewirtschaftung doch noch immer einige ökologische Nischen gäbe.



Die Fotos...

... genügen heutigen Ansprüchen über weite Strecken nicht mehr, - das ist mir klar.

Ich arbeitete damals mit je einer billigen Praktica- und einer noch billigeren Exakta- Spiegelreflexkamera (beide aus der damaligen DDR), mit M42- (Schraub-) Objektiven, mit drei M42-Zwischenringen und gelegentlich einem (geliehenen!) Uralt-Praktica-Balgengerät.
Die größten Probleme waren dabei im Nahbereich natürlich stets der beträchtliche Lichtstärkeverlust, die Schärfentiefe sowie die Tiefenschärfe, wie an vielen Fotos erkenntlich.
Sowohl mit den Zwischenringen als auch mit dem Balgengerät konnte ich mich den Blüten zwar auf wenige Zentimeter annähern, aber der Lichtverlust war enorm und konnte nur mit sehr langen Belichtungszeiten ausgeglichen werden. Wenn dann die Sonne hinter den Wolken verschwand, ein Ast eine Orchidee beschattete, oder auch nur ein kleiner Windhauch aufkam, hatte ich oft stundenlange Wartezeiten, ehe ich endlich auf den Auslöser drücken konnte - und viele Fotos waren dennoch unbrauchbar. Wenn ich einen 36er-Film eingelegt hatte und fünf recht gute Fotos die Ausbeute waren, musste ich schon sehr zufrieden sein! (Zu bezahlen waren halt - leider! - alle 36 Abzüge... )
(Digitale Fotografie war zu jener Zeit noch unbekannt, - jedes "Klick" machte also auch einen "Klick" in der Geldbörse - und musste daher wohl überlegt sein!)

Aber was war das alles im Vergleich zu der Freude, stets neue Wiesen und Wälder zu durchstreifen und dann und wann wieder einen neuen Standort einer schon bekannten oder gar eine (für mich!) neue Art zu finden!
Da ich ein botanischer Laie war (und bin!), mussten neben der schweren Fotoausrüstung (eine Kamera mit einem Farbnegativfilm, eine zweite mit einem Dia-Film nebst einigen Objektiven und dem soeben erwähnten Balgengerät) auch noch gefühlte 12,8 kg (oder so ähnlich smiley_zwinker ) Bücher mitgeschleppt werden, um die gefundenen Schätze möglichst zweifelsfrei identifizieren zu können.

Ich hoffe, Sie erfreuen sich trotz der fotografischen Unzulänglichkeiten an der wunderbaren Schönheit dieser Pflanzen, - auch wenn besonders die Nahaufnahmen nach heutigen Kriterien alles andere als perfekt sind!

Eines wäre für mich nämlich niemals in Frage gekommen: Auch nur eine einzige Orchidee zu pflücken oder auszugraben und sie an einen Ort zu bringen, der günstigere Voraussetzungen für ein besseres Foto geboten hätte (Sonne, Windstille, oder gar zu Hause mit Stativ und einer perfekten Ausleuchtung)! Alle Fotos sind also an den Originalstandorten der Blumen entstanden, auch wenn ich mich noch so sehr verbiegen, verrenken und fast in den Boden versenken musste (und dabei ja kein anderes Blümlein beschädigen durfte!) - kein einziges Foto ist in irgendeiner Weise montiert oder manipuliert.
(Einmal ganz davon abgesehen, dass es natürlich auch noch keinen Personalcomputer - und daher auch kein Photoshop - gab! )

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